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Heute ist  .
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04.01.2005
„Dahinter steckt immer das konservative Denken“
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Interview mit Gerrit J. Sepers, von 1987 bis zu seinem Rücktritt am 1. Dezember 2004 Apostel der Neuapostolischen Kirche in den Niederlanden.
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Apostel a.D. Gerrit Sepers
Zur Person
• geboren am 16.02.1946 als Kind neuapostolischer Eltern
• ab 1966 Studium der Medizin
• ab 1969 Amtsträger in der NAK (Amtsstufen: Unterdiakon,
  Diakon, Priester, 1978 Vorsteher einer kleinen Gemeinde
  im Norden der Niederlande, 1980 Bezirksevangelist im
  Unterbezirk Groningen, 1982 Bezirksältester im Unterbezirk
  Arnhem, 1984 Bischof, 1987 Apostel der Niederlande)
• seit 1970 verheiratet, 2 Kinder (eine leibliche Tochter, 25, und ein adoptierter Sohn, 18)
• von 1974 bis 1984 praktizierender Allgemeinmediziner
• von 1985 bis 1999 hauptamtliche Tätigkeit in der Neuapostolischen Kirche
• Mitarbeit in Projektgruppen der NAK International: 1989 bis 1991 PG „Musik“,
  1988 bis 1998 PG „Kinder und Jugend“, 1988 bis 2003 PG „Gegenwartsfragen“
• von 1988 bis 2004 zuständig für die Kontakte zwischen der Neuapostolischen Kirche
  und den anderen apostolischen Gemeinschaften in den Niederlanden
• von 1999 bis 2002 erneutes Studium zur Auffrischung seiner medizinischen Ausbildung,
  verbunden mit einem dreijährigen Aufenthalt in Antwerpen, Belgien
• seit 2002 Hausarzt mit eigener Praxis in Amersfoort, Niederlande
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„Ich fühle mich als ein Jünger von Jesus“
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naktuell.de: Wie geht es Ihnen persönlich, wie fühlen Sie sich nach den Ereignissen der letzten Wochen und Monate, die zu Ihrem Rücktritt vom Apostelamt führten?
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G. Sepers:Sie müssen wissen, dass das natürlich ein tiefer Prozess gewesen ist –
nicht von einem Tag, wenn man zu einer, zu dieser Entscheidung kommt. Ich bin überzeugt von dem, was ich entschieden habe. Ich fühle mich gut und sicher und habe Frieden im Herzen.
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Natürlich gibt es auch Schmerzen, dass es nun so gelaufen ist und weil es doch auch Sachen gab, über die ich nicht sprechen kann. Aber doch, es schmerzt. Das ist selbstverständlich, weil man in dieser Kirche aufgewachsen ist und meine Familie und auch die Familie meiner Frau seit Generationen ihren Platz hier eingenommen haben. Das bedeutet natürlich etwas. Ich und meine Frau spüren aber auch Frieden und Freiheit in unseren Herzen.
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naktuell.de: Was hat sich seit dem 1. Dezember 2004 bei Ihnen verändert?
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G. Sepers:Das kann ich nicht auf einen Moment zusammenfassen, weil das doch ein tiefer Prozess war schon seit einigen Jahren, der in den letzten Monaten immer stärker geworden ist. Wir haben das Gefühl, dass wir versucht haben, für die Geschwister etwas zu bedeuten. Und es schmerzt, dass man doch irgendwie einer Entwicklung keine Richtung mehr geben konnte, dass man nur aus einigem Abstand folgen konnte und überhaupt keinen Einfluss auf die Entwicklung hatte. Wenn die Kirche diesen
Weg wählt (und an ihrer Exklusivität festhält), dann ist das natürlich auch eine sehr schmerzhafte Sache für Geschwister. Aber ich habe auch meine persönlichen Erfahrungen gemacht und habe mich weiter entfaltet und entwickelt, und dafür bekomme ich jetzt mehr Raum.
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naktuell.de: Sie sind nun ohne Amtsauftrag in der Neuapostolischen Kirche. Fühlen Sie sich weiterhin als ein Apostel, als ein Botschafter Jesu?
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G. Sepers:Ich bin nicht mehr ein Apostel der NAK. Aber ich war an erster Stelle ein Apostel Jesu. Ich bin nicht so arrogant zu sagen, dass ich noch ein Apostel sein will und bleibe. Ich fühle mich als ein Jünger von Jesus! Aber weiterhin möchte ich eigentlich nicht etwas Neues gründen oder in Bewegung bringen. Das will ich nicht.“ 
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„Ich wollte einfach nur zurücktreten“
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naktuell.de: Am 1. Dezember 2004 fand in Hilversum ein Ämtergottesdienst statt, in dem Sie durch den schweizerischen Bezirksapostel Studer verabschiedet wurden. Können Sie den Ablauf des Gottesdienstes noch einmal wiedergeben?
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Verabschiedung durch
Bezirksapostel Studer (rechts)
G. Sepers:Bezirksapostel Studer hat mit einem Gebet angefangen. Er hat dann gesagt, dass der Apostel Sepers
zur Exklusivität seine eigene Meinung hat, nämlich dass die Mitglieder anderer Kirchen auch den Heiligen Geist empfangen haben durch die Wassertaufe, durch Amtsträger in ihrer Kirche – und das würde bedeuten, dass das Apostelamt nicht unbedingt heilsnotwenig ist, aber doch wünschenswert und förderlich. Das hat Bezirksapostel Studer sofort nach dem Vorlesen des Briefes vom
Stammapostel gesagt. Er hat dann einen Gottesdienst gewirkt über das Wort von Jeremia [Jer. 3, 15] und die Brüder gestärkt. Keiner hat mitgedient und dann wurde Heiliges Abendmahl gefeiert.
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Dann hat er noch erwähnt, dass wir zehn Jahre in der Projektgruppe Kinder und Jugend zusammengearbeitet haben. Wir waren Freunde, wir sind Freunde – und das ist auch so. Er sagte, dass auch meine Frau viele Opfer gebracht hat. Dann hat er mich auf den Altar gerufen und mir für alle Arbeit gedankt. Er sagte, dass ich weiter als Bruder (und nicht mehr als Apostel) in die Kirche gehen soll und hat sich von mir verabschiedet. Einige haben das ausgelegt als eine Inruhesetzung. Ich hatte auch die Wahl, mich für eine Inruhesetzung zu entscheiden, aber das wollte ich nicht. Ich wollte nur zurücktreten.
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naktuell.de: Was haben Sie in jenem Moment, als Sie am Altar standen, empfunden?
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G. Sepers:Ich fand das eigentlich sehr gut. Ich fand das eine gute Sache. Die Kirche hat zum ersten Mal nach 50 Jahren einen Apostel, der eine andere Meinung hat, nicht einfach in die Wüste geschickt, sondern ihm doch in guter Weise und würdevoll für die Arbeit gedankt.
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Ich hatte ein gutes Gefühl in diesem Moment. Ich fühlte mich sehr stark und überzeugt von meiner Meinung und war sehr froh, dass ich diese Entscheidung getroffen habe. Ich konnte in die Augen der Brüder schauen und schämte mich überhaupt nicht. Ich stand dort, natürlich nicht wie Martin Luther, aber wohl mit dem Gefühl: Hier stehe ich, ich kann nicht anders!‘“
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„Ich habe viele unterstützende Briefe bekommen“
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naktuell.de: Wie haben die Amtsträger und die Geschwister in den Niederlanden auf Ihren Rücktritt reagiert?
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G. Sepers:Ich habe viele Reaktionen erhalten. Viele haben gedankt für die Zeit.
Ich hatte das auch am 1. Dezember so gespürt, als die Ämter zusammen waren bei Bezirksapostel Studer im Gottesdienst. Das habe ich als sehr unterstützend erfahren. Brüder waren sehr gerührt und das hat mich sehr bewegt. Und ich muss sagen, die Reaktionen auf den beiden Internetseiten [naktuell.de und glaubenskultur.de] haben mir doch viel Mut und Vertrauen gegeben.
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Ich habe unendlich viel Post bekommen, viele unterstützende Briefe. Die Geschwister haben mit großem Respekt und Bewunderung geschrieben. Es wurde geschrieben: Wir sind sehr erstaunt, wir unterstützen dich, wir helfen dir und beten für dich. Manche
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Anrührende Szenen nach dem
Gottesdienst in Hilversum
waren nicht so überrascht und haben gesagt: Eigentlich wussten wir, dass du so denkst! Aber wir haben nicht denselben Mut.
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Ich habe unsere Brüder und Schwestern sehr lieb. Das war auch mit das Schwierigste bei meiner Entscheidung. Ich habe es in den letzten Jahren so erfahren, dass ich an der Basis am meisten unterstützt wurde. Es schmerzt, dass ich mich jetzt von den Geschwistern verabschieden musste.
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„Ich wollte kein gespaltenes Gewissen haben“
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naktuell.de: Die Entscheidung, das Apostelamt niederzulegen, entwickelte sich bei Ihnen persönlich über einen längeren Zeitraum. Für die Amtsträger und Geschwister in Ihrem Arbeitsbereich war dieser Ausgang aber nicht unbedingt abzusehen. Ihr Rücktritt wurde von vielen als ein plötzliches Ereignis empfunden. 
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G. Sepers:Natürlich war das für viele Geschwister eine Überraschung, vielleicht auch ein Schock. Aber ich denke doch nicht für alle, wenn sie ehrlich sind – und die meisten sind ehrlich.
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Ich wollte kein gespaltenes Gewissen haben. Ich will selbst Verantwortung tragen, wofür ich lebe. Darüber habe ich nachgedacht. Ich hatte dann im Sommer 2004 einen Brief von 20 Seiten geschrieben, darin all meine Gedanken und Untersuchungen niedergelegt und um einen Dialog gebeten. Aber mir war klar, dass diese Entscheidung (zu einem Dialog) für die Kirchenleitung, für diese Männer, doch unendlich schwer gewesen wäre. Das wusste ich schon im Voraus. Nach dem Gespräch im Oktober [01] sagte man mir: So kann man als Apostel in der Kirche nicht funktionieren, wenn man so über die Exklusivität denkt und spricht! Dann habe ich meine Entscheidung getroffen. Punktum – ganz deutlich.
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naktuell.de: An wen war dieser 20-seitige Brief gerichtet?
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G. Sepers:Der Brief war an die beiden Bezirksapostel Wend und Studer gerichtet, an unseren Bezirksapostel und die beiden Bischöfe in den Niederlanden. Dieser Brief wird nie publiziert werden, das müssen Sie verstehen. Das gehört zum Amtsgeheimnis.
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naktuell.de: Die Bezirkapostel Wend und Studer haben in dem Schreiben des Stammapostels [02], das in den Gemeinden der Niederlande vorgelesen wurde, betont, dass sie mit Ihnen auch künftig freundschaftlich verbunden bleiben werden. Was bedeutet Ihnen diese Freundschaft?
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G. Sepers:Dass ich offen reden kann über meine Anliegen und meine inneren Gefühle. Und dass ich das Gefühl habe, darin respektiert zu werden. Das habe ich so erfahren.“ 
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naktuell.de: Dem Schreiben des Stammapostels kann man weiterhin entnehmen, dass die Gespräche zwischen Ihnen und der Kirchenleitung von brüderlicher Offenheit, gegenseitigem Respekt und persönlicher Wertschätzung geprägt gewesen sind. Haben Sie das ebenso empfunden?
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G. Sepers:Ja, ich habe das auch sagen können. Wir haben auch wirklich miteinander diskutiert.
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„Die Entscheidung wurde mir nahegelegt“
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naktuell.de: Wurden Sie angesichts der immer größer werdenden Differenzen von der Kirchenleitung aufgefordert oder darum gebeten, ihr Amt zurückzugeben? Haben Sie sich
zu diesem Schritt gedrängt gefühlt?
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G. Sepers:Jawohl. Das wurde mir nahegelegt.“ 
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naktuell.de: Sie wurden vor eine Entscheidung gestellt?
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G. Sepers:Eigentlich ja. Weil die Kirchenleitung festhält an der Exklusivität. Die Entscheidung ist in den letzten Monaten konkret geworden.
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naktuell.de: Hätten Sie Ihren Amtsauftrag weiter ausgeführt, wenn man Ihnen inhaltlich etwas mehr Spielraum gegeben hätte?
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G. Sepers:Ja. Wenn es Raum gegeben hätte, um offen miteinander in Dialog treten zu können, dann wäre es wahrscheinlich doch anders gelaufen.“ 
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naktuell.de: Die inhaltlichen Differenzen zwischen Ihnen und der Kirchenleitung bestanden offenbar schon über Jahre. Warum erfolgte die Amtsrückgabe erst jetzt?
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G. Sepers:Gute Frage! Das war natürlich ein langer Prozess. Am Anfang waren die Gedanken, die ich 1997 in einem Interview [03] geäußert hatte. Und was jetzt passiert ist, war dann ein Resultat meiner weiteren Entwicklung. Als ich gesehen habe, dass es keine Möglichkeit gab, mich so zu entfalten wie ich tief innerlich wünschte, kam für mich doch der Moment, darüber offen reden zu wollen. Ich habe wohl Sinn in weiteren Gesprächen gesehen.
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„Mir wurde geraten, wieder Arzt zu werden“
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naktuell.de: Sie haben 1999 ein Studium begonnen, um ab 2002 wieder selbstständig als Arzt praktizieren zu können. Welche Gründe haben Sie zu diesem Schritt veranlasst?
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Bezirksapostel de Bruijn
G. Sepers:Wie gesagt, ich habe bereits im Jahr 1997 ein
Interview für ein Jugendmagazin gegeben. Das wissen Sie. Das war meines Erachtens auch mit die Ursache, dass es einen anderen Bezirksapostel gegeben hat in den Niederlanden. Man hat sich für Bezirksapostel de Bruijn entschieden. Das war die Entscheidung der Kirche. Ich muss sagen: Ich gehe nicht über Ämter.
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naktuell.de: Wie wurden Ihre Aussagen in dem Interview von 1997 von den Geschwistern aufgefasst?
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G. Sepers:Sehr positiv und begeistert. Der Inhalt wurde im allgemeinen in unserer Kirche in Holland sehr begrüßt.
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naktuell.de: Hatte diese ungewohnte Offenheit unmittelbare Folgen?
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G. Sepers:Wenig. Ich habe das mit Bezirksapostel Pos [04] in guter Harmonie besprechen können. Er hatte natürlich Fragen dazu, aber er hat meine Meinungen respektiert.
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naktuell.de: Ihre Aussagen in dem Interview von 1997 sind heute, also immerhin sieben
Jahre später, noch immer hochaktuell. Welchen Zusammenhang sehen Sie zwischen dieser Veröffentlichung und dem Bezirksapostelwechsel 1998?
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G. Sepers:Das weiß ich natürlich auch nicht ganz genau. Ich denke, dass es eine Verbindung gegeben hat, aber wissen tue ich das nicht. Es ist zu kompliziert. Und ich denke auch nicht, dass es gut wäre, weiter darüber zu reden. Damals wurde mir angeraten, wieder Arzt zu werden. Es wurde gesagt, dass die Gebietskirche Niederlande nicht genügend Finanzen hätte, um zwei Apostel zu unterhalten. Später hat unser Stammapostel mir zweimal angeboten, doch hauptamtlich als Apostel tätig zu bleiben. Aber ich habe davon abgesehen.
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naktuell.de: Einer der Auslöser, dass Ihnen die Rückkehr in Ihren alten Beruf nahegelegt wurde, ist in besagtem Interview zu sehen?
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G. Sepers:Ich denke, dass das so gewesen sein kann. Als ich dann die Möglichkeit hatte, wieder als Arzt zu arbeiten, wollte ich gerne nebenher mein Amt tragen und ausüben. Ich wollte weitermachen in unserer Kirche, aber doch irgendwo eine Möglichkeit zur weiteren Entfaltung haben.
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naktuell.de: Diesen Raum zur Entfaltung haben Sie im Jahr 1999 noch gesehen?
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G. Sepers:Ja.
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naktuell.de: Waren Ihre Aussagen in dem Interview von 1997 mit der Kirchenleitung abgesprochen?
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G. Sepers:Es ist so, dass Bezirksapostel Pos und ich darüber geredet haben.
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„Ich bin aus ideologischen Gründen abgetreten“
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naktuell.de: Hatten Sie erwartet, 1998 Nachfolger von Bezirksapostel Pos zu werden?
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G. Sepers:Ja. Wenn es nur einen Apostel in Holland gibt, kann und darf man das vielleicht auch erwarten. Es waren viele überrascht, dass ich nicht Nachfolger von Bezirksapostel Pos geworden bin. Aber wenn das dann anders gelaufen ist, dann ist das nicht meine Sache. Vielleicht könnte der Eindruck entstehen, dass ich aus Frust weggegangen bin. Aber das ist nicht so! Ich habe ganz deutlich gesagt und fühle das noch immer so: Ich gehe nicht über Ämter. Das ist nicht mein Ding. Das ist eine Sache der Kirche und des Stammapostels.
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Wenn es so wäre, dass ich aus Frust weggegangen bin, dann hätte ich ja auch schon früher gehen können. Aber aufgrund zwischenmenschlicher Probleme hätte ich nie mein Amt zurückgegeben. Solche Probleme muss man überwinden. Ich bin allein aus ideologischen Gründen abgetreten!
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naktuell.de: Sie waren bereits mit Beginn Ihres zweiten Medizin-Studiums im Jahr 1999 nicht mehr hauptamtlich für die Kirche tätig. Wie wurde dieses Studium finanziert?
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G. Sepers:Die Kirche hat das Studium bezahlt.
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Ein seltenes Bild: Bezirks-
apostel de Bruijn gemeinsam
mit Apostel Sepers
naktuell.de: Wie gestaltete sich das persönliche Verhältnis zwischen Ihnen und dem neuen Bezirksapostel de Bruijn?
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G. Sepers:Durch die veränderten beruflichen Verhältnisse war ich nicht mehr so viel wie früher in der Kirche tätig,
nur abends und am Wochenende. Wir sprachen einander, wenn es notwendig war. Es gab nicht die Nähe, die ich zu Bezirksapostel Pos hatte. Ich denke es wäre besser, nicht weiter darüber zu reden.
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Finanzlage und Mitgliederzahlen der NAK Niederlande
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naktuell.de: Es gab in den letzten Jahren immer wieder Spekulationen, die Gebietskirche Niederlande sei zunehmend in finanzielle Schwierigkeiten geraten, bedingt durch einen hohen Mitgliederverlust und einem damit verbundenen Rückgang der Einnahmen. Auch das Ende Ihrer vollamtlichen Tätigkeit wurde von einigen Beobachtern als Indiz gewertet. Sind diese Gerüchte von Substanz?
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G. Sepers:Der Mitgliederverlust war tatsächlich groß. Es ist aber doch ein wenig übertrieben, wenn behauptet wurde, ich hätte deswegen nicht mehr hauptamtlich bezahlt werden können. Wohl muss man sagen: In einer kleinen Gebietskirche, die auch unabhängig bleiben will und in der Missionsarbeit doch einige Kosten hat, ist es finanziell nicht so leicht. Dann zählt jedes Mitglied, das ist klar. Dass es aber so große Not und finanzielle Schwierigkeiten gab, das glaube ich nicht.
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naktuell.de: Wie hoch ist die Mitgliederzahl der NAK in den Niederlanden? Wie groß ist der Anteil der aktiven Geschwister?
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G. Sepers:Es ist schon seit längerer Zeit ein Rückgang zu melden. Es gibt ungefähr 12.000 Mitglieder. Bei einer großen Zahl ist das nicht so auffällig. Aber wenn es unter die 6.000 oder 5.000 kommt, wird es doch sehr gefährlich. An einem Sonntagmorgen sind im Durchschnitt 4.700 Geschwister im Gottesdienst und am Mittwochabend ungefähr 2.500. Also, das sind nicht sehr viele.
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„Das ist natürlich ein diskutabler Brief“
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naktuell.de: Bezirksapostel de Bruijn hat sich kurz nach Ihrem Rücktritt in einem Brief an die Bezirksämter und Vorsteher der NAK Niederlande zur Frage der Exklusivität geäußert (siehe Veröffentlichung bei glaubenskultur.de vom 08.12.2004). Er spricht darin u.a. von augenscheinlich positiven Aspekten des Exklusivitätsgedankens. Wie bewerten Sie die Erläuterungen des Bezirksapostels?
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G. Sepers: Das ist natürlich ein diskutabler Brief. Dieses Schreiben ist nur ausgelegt auf Heil und Erlösung über die NAK. Eigentlich kann man nur selig werden durch die Hilfe der NAK. In Einzelfällen darf man aber doch noch auf die Gnade Gottes hoffen. So habe ich diesen Brief verstanden. Er entkräftet das Schreiben des Stammapostels, wodurch die Brüder und die Geschwister in Verwirrung kommen.
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Ich glaube, dass in anderen Kirchen auch Heil von Gott für Menschen gegeben ist.
Ich sage, dass wir überhaupt nicht wissen, wie alles aussehen wird, wenn der Herr Jesus wiederkommt. Ich glaube, dass diese gläubigen Menschen auch zu Gott, zum Ewigen Mahl– wie auch immer man das nennen kann – und zur Erlösung kommen können. Aber wie das alles geschehen wird, wissen wir überhaupt nicht.
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„Das Apostelamt ist nicht unbedingt heilsnotwendig“
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naktuell.de: In dem Ämtergottesdienst am 1. Dezember 2004 in Hilversum wurde nicht nur der weithin bekannte Brief des Stammapostels vorgelesen, sondern auch ein Statement von Ihnen. Welchen Inhalt hatte diese Erklärung?
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Bezirksapostel Studer
während des Gottesdienstes
für Amtsträger in Hilversum
G. Sepers: Dort ist gesagt worden, was ich schon erwähnt habe. Unsere Kirche hat natürlich ihre Identität aus dem Apostelamt und sie sagt, dass das Apostelamt unbedingt heilsnotwendig ist. Und ich denke das nicht! Das hat Bezirksapostel Studer deutlich gesagt. Aber mein Statement ist nicht vorgelesen worden.
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Unsere Kirche hat eine exklusive Vision und ich mehr
eine pluralistische. Aus dem Erbe des Christentums sind viele christliche Kirchen entstanden. Jede Kirche hat ihre
Amtsträger und die achte und respektiere ich. Jede Kirche hat ihre Geschichte, die römisch-katholische hat eine andere als die protestantische Gemeinde. Sie sind aber doch irgendwo durch Gott angestellt. Das ist mein Glaube. Wir können Gott und den Heiligen Geist in ihren Möglichkeiten, Raum und Entfaltung nicht einschränken. Das geht nicht. Das geht weit über unsere menschlichen Gedanken hinaus.
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Das Apostelamt in unserer Kirche ist nicht unbedingt heilsnotwendig aber förderlich und wünschenswert. Man darf unsere Wahrheit repräsentieren, aber man kann nicht sagen, dass der Heilige Geist nur in optimaler Form in der NAK offenbar werden kann. Praktisch würde das bedeuteten, dass der Heilige Geist in anderen christlichen Kirchen nur rudimentär anwesend ist. Und das kann nicht sein! Deshalb kann man als Neuapostolischer nur sagen, dass die Kirche sich selber höchstens als eine Fortsetzung der ursprünglichen apostolischen Bewegung sieht und nicht als die Fortsetzung.“ 
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naktuell.de: Sie erwähnten, dass Sie davon überzeugt sind, dass Christen verschiedener Konfessionen durch die Taufe den Heiligen Geist empfangen. Kann man sich wirklich vorstellen, dass der Heilige Geist bildhaft übermittelt oder gespendet wird? 
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G. Sepers:Das ist natürlich die große Frage: Wird der Heilige Geist erweckt in jedem Menschen oder wird er vermittelt durch Gott? Das weiß keiner.
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„Ich lehne die Versiegelung überhaupt nicht ab“
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naktuell.de: Die Heilige Versiegelung stellt nach offizieller Lehre unserer Kirche die Spendung des Heiligen Geistes durch das Apostelamt dar, und zwar ausschließlich durch Apostel der NAK. Wie denken Sie über dieses Sakrament?
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G. Sepers:Wir haben das aus Handlungen in der Heiligen Schrift. Das ist unsere Wahrheit und diese Wahrheit vertrete ich auch. Ich kann mir das vorstellen und ich lehne das überhaupt nicht ab. Dafür fühle ich mich noch immer apostolisch. Es klingt aber oftmals durch, dass das nur die einzige Möglichkeit sei. Nein, das ist nur die Möglichkeit, die wir in unserer Ordnung für richtig erachten. Wir dürfen nicht über andere urteilen.
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Worauf gründe ich das? Die Zusammenstellung unserer Bibel ist im dritten oder vierten Jahrhundert entstanden. Dieser Kanon war nicht eine Einheit. Es gab unendlich viele Evangelien, aber man hat vier ausgewählt – nicht nur ein einziges, sondern vier, weil man die ganze Geschichte von Jesus abdecken wollte. Man hat sich nicht für die Evangelien von Thomas, Bartholomäus, Mathias oder Petrus entschieden, die nennen wir dann Apokryphen. Später wurde gesagt, die seien falsch oder die Quellen waren nicht so deutlich. Nein, das passte einfach nicht! Man hatte schon eine Denkart über die weitere Richtung der Kirche.“ 
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Pluriforme Entwicklung der Kirche
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1945 wurden im ägyptischen
Nag Hammadi 13 in Leder
gebundene Papyrus-Schriften
entdeckt, u.a. eine Abschrift
des Thomas-Evangeliums [05]
G. Sepers: Wenn also der Kanon der Bibel nicht uniform ist, ist schon die Basis gelegt für eine pluriforme Entwicklung der Kirche. Das war und ist einfach Realität, schon von Anfang an. Die Jünger haben schon am Beginn gestritten und ihre eigene Meinung über Jesus gehabt.
Und das ist überhaupt nicht schlecht. Die Erkenntnis ist eigentlich durch das Auffinden der gnostischen Schriften
von Nag Hammadi und des Thomas-Evangeliums [05] gekommen. Nicht dass etwas grundlegend anderes über den Herrn Jesus gefunden worden ist, aber wohl, dass es mehrere Wahrheiten nebeneinander gibt.
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Wir haben eigentlich eine paulinische Kirche – ein Christentum in der Richtung von Paulus, wo das Opfer und Leiden Christi zentral steht. Das war in der römisch-
katholischen Kirche so und mehr noch in den protestantischen Richtungen. Jede Kirche setzt ihre eigenen Schwerpunkte im Kanon der Bibel. Das bedeutet, dass die römisch-katholische Kirche mehr Aufmerksamkeit in das Matthäus-Evangelium und die apostolischen Briefe von Petrus und Johannes gegeben hat. Die protestantischen Kirchen haben sich mehr auf Paulus und seine Briefe gestützt, wo das Leiden Christi zentral steht. In den charismatischen Kirchen, so auch bei uns, stehen die Handlungen der Apostel und die Offenbarungen zentral. Man muss auch bedenken, dass das Buch der Offenbarung von Johannes eigentlich bis ins vierte Jahrhundert, auch noch durch den bekannten Bußprediger Chrysostomos, abgelehnt worden ist.
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Erneuerung innerhalb des Christentums
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G. Sepers: Ein pluriformer Kanon war also die Grundlage, dass sich ein vielfältiges Christentum bilden konnte. Und es ist eigentlich fantastisch, dass im 19. Jahrhundert die apostolische Bewegung und die Erneuerung kam. Diese Bewegung sagte: Man muss eigentlich das, was der Herr Jesus zentral stellte, Reich Gottes und Wiederkunft – das war bei Paulus nicht so wichtig – wieder in den Mittelpunkt stellen! Und das finde ich auch. Das muss wieder mehr zentral kommen. Das finden wir auch am Anfang bei den Apostolischen.
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Wir sollten das auch in der allgemeinen Christenheit vertreten: Lebe doch mit dem Reich Gottes, erwarte es in dir selbst und entfalte es! Wir müssen uns nicht abgrenzen und Fenster und Türen schließen. Nein, wir dürfen das verbreiten und repräsentieren. Dann kommen wir wieder zurück zur katholisch-apostolischen Richtung. Ich werde das persönlich auch weiterhin vertreten. Die Kernwerte sind für mich die apostolischen Werte: Wiederkunft Christi, Leben nach dem Evangelium von Jesus Christus und Nachfolge darin. Mit offenen Augen und Ohren, mit einem sauberen Gewissen und immer sich selbst die Frage stellen: Was ist eigentlich der Wille Gottes? Darum muss man sich bemühen. Nächstenliebe bedeutet auch, Menschen in großer Not in unserer Umgebung und in rückständigen Ländern durch karitative Arbeit zu helfen. Das ist christliches Leben, meines Erachtens. Das ist auch bereits im Testimonium [06] der katholisch-apostolischen Bewegung von 1835 festgehalten.
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„Es gibt zuviel Projektion auf die Entschlafenen“
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naktuell.de: Wie denken Sie über das Entschlafenenwesen in der Neuapostolischen Kirche, insbesondere über die Spendung von Sakramenten für Tote? Sind die Seelen in der Ewigkeit auf den so genannten „lebendigen Apostelaltar“ angewiesen, oder ist das ein Vorgang, den Gott letztlich selbst regelt?
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G. Sepers: Wir wissen das überhaupt nicht. Wir wissen, dass es Entschlafene gibt. Aber wir wissen nicht, wie ihre Position dort ist, ob sie überhaupt denken können oder ein Bewusstsein haben. Wir haben dort ein Gedankengut entwickelt, das weit entfernt ist von der allgemeinen christlichen Lehre. Ob es möglich ist, dass von dieser Erde aus Segenshandlungen dort stattfinden können, das weiß keiner. 
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Auch Stammapostel Fehr hatte sich schon bemüht, das Entschlafenenwesen etwas mehr auf eine gute Ebene zu bringen, zurück in die Hände des Herrn Jesus. Das ist nur teilweise gelungen, z.B. bei der Schlüsselgewalt. Weiter geht es noch nicht.
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Apostel Sepers (Mitte) bei
seiner letzten Empfangnahme
des Entschlafenenmahls am
28.11.2004 in Nieuwegein 
naktuell.de: Sie haben, trotz mancher Skepsis, bis zuletzt das Abendmahl stellvertretend für Entschlafene entgegengenommen. Haben Sie sich in solchen Momenten gewissermaßen als ein „Kontaktmedium“ gefühlt?
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G. Sepers:Ich habe wohl teilgenommen. Ich habe mich verbunden gefühlt mit verstorbenen Menschen in Not, Freunden, Verwandten usw. Ich habe es symbolisch gesehen und mich nicht als Medium gefühlt. Ich habe das gesehen wie der Herr Jesus auch, nämlich dass Erlösung über das Grab hinaus möglich ist. Aber weiter kann man nicht gehen.
Es gibt auch zuviel Projektion auf die Entschlafenen, weil wir Mühe haben zu sterben. Wir können nicht akzeptieren, dass wir sterblich sind. Wir müssen vorsichtig sein, unsere menschlichen Gedanken aufs Jenseits zu projizieren. Wir wissen überhaupt nicht, ob alles so stattfindet, wie wir uns das denken.“ 
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„Wir haben das Vertrauen in die Kirche verloren“
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naktuell.de: Ein Glaubensbruder, der sich intensiv mit der Geschichte unserer Mutterkirche (den katholisch-apostolischen Gemeinden) befasst, kommentierte Ihre Amtsrückgabe mit den Worten, die Kirchenleitung „opfere“ zunehmend Amtsbrüder, „die Fragen zu Lehraussagen stellen, welche einer Prüfung im Lichte der Heiligen Schrift nicht standhalten.“ Nun habe mit Apostel Sepers sichtbar für die Öffentlichkeit ein Apostel Konsequenzen ziehen müssen. Aber auch viele Amtsbrüder der unteren Amtsklassen sehen sich zunehmend gezwungen, aus ähnlichen Gründen, aber unbemerkt von der Öffentlichkeit, ebenfalls Konsequenzen zu ziehen. [07]
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G. Sepers: … oder sie ziehen sich vielleicht zurück und sagen dann: Ich habe den
Mut verloren und bin ausgebrannt, burn-out. Wahrscheinlich gibt es viele, die sich aus diesen oder ähnlichen Gründen verabschieden.
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naktuell.de: In dem Kommentar heißt es weiter, der „Fall Sepers“ sei nur die Spitze eines Eisberges. Ist diese Einschätzung des Glaubensbruders aus Ihrer Sicht zutreffend?
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G. Sepers:Das denke ich auch. Der tiefe Grund für dieses Gefühl bei vielen anderen Brüdern ist seit der Botschaft von Stammapostel Bischoff [08] gelegt. Weil eigentlich
da schon ganz offenbar geworden ist: Wir haben irgendwo das Vertrauen in die Kirche verloren. Die Kirche hat so explizit gesagt: Es ist eine göttliche Botschaft! Und von einem Tag auf den anderen, als Stammapostel Bischoff gestorben war, wurde gesagt: Gott hat seinen Willen geändert! Man hat den Fehler Gott zugeschoben, entschuldigen Sie die Deutlichkeit, um sich dann wieder auf den Platz Gottes zu setzen.
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„Viele Brüder fühlen sich in Gewissensnot“
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G. Sepers:Ich habe oftmals Gespräche geführt mit vielen Geschwistern über ernsthafte Probleme. Und wenn dann über das Vertrauen in Gott gesprochen und darauf zurückgegriffen wurde, dann kam immer wieder diese Botschaft auf den Tisch. Es sind Zweifel dadurch entstanden und es ging Vertrauen verloren. Das ist der Anfang gewesen.
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Heute muss man sehen, dass die Entwicklung der Kirche in der Alten Welt nicht weitergeht und nur zurückgeht, nicht nur durch die Einflüsse der Zeit. Aber auch die Begeisterung fehlt und die Entfaltungsmöglichkeiten. Man sieht das Fehlen von Dialog, von Bruder zu Bruder, von Schwester zu Schwester. Man muss feststellen, dass die Leute an der Basis in den Gemeinden nur irgendwo am Rande wichtig sind und
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Apostel Sepers bei einem
seiner letzten Gottesdienste
(Landgraaf, September 2004)
überhaupt keinen Einfluss haben. Die Amtsbrüder sitzen immer dazwischen. Da sind die Aufträge der Leitung einer-
seits und die Gefühle und Gedanken der Basis andererseits. Viele Brüder fühlen sich immer mehr in Gewissensnot.
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naktuell.de: Ich nehme an, dass der Kirchenleitung diese Problematik im Ansatz durchaus bewusst ist. Warum gibt es keine spürbare Änderung?
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G. Sepers: Vielleicht fehlt der Mut. Es fehlt Vertrauen!
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„Der Herr Jesus ist der zweite Punkt geworden“
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naktuell.de: Unsere Kirche sagt, dass der Glaube an das Apostelamt der NAK eine Grundvoraussetzung ist, um den Heiligen Geist zu empfangen, um Sündenvergebung zu erlangen, um das zeitgemäße Wort Gottes zu hören, um ein Teil der Brautgemeinde zu sein und damit auch zum Heil gelangen zu können.
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G. Sepers:Das hat sich seit der Einführung des Stammapostelamtes durch Krebs [09] immer mehr in diese Richtung entwickelt.
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naktuell.de: Meine Frage dazu lautet: Wurde hier, neben dem Glauben an unseren Herrn und Erlöser Jesus Christus, eine zweite Heils-Instanz im Apostelamt geschaffen?
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G. Sepers: Das ist der Knackpunkt. Auch Stammapostel Fehr hatte immer mehr versucht, den Herrn Jesus mehr in den Mittelpunkt zu rücken – und das nicht nur am Apostelamt festzumachen, denn dann wird alles menschlich und das hat schon viel verursacht. Das ist ein heißes Eisen. Ich bin der Meinung: Apostel sind nur Helfer, aber der Herr Jesus muss zentral stehen! Und das Apostelamt hat nicht das letzte Wort.
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naktuell.de: Wenn eigene Lehrkonstrukte zu sehr im Mittelpunkt der Verkündigung einer Kirche stehen – sehen Sie dann die Gefahr, dass diese Dinge von dem eigentlichen Kern, dem Glauben an Gott und Jesus Christus, ablenken?
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G. Sepers:Ja! Und es gibt auch keinen Raum für die Basis! Und es gibt auch keinen Raum, um als Apostel auch mal zwischen den Geschwistern zu sitzen, neben dem Diakon oder Unterdiakon. Man muss eigentlich auf die gleiche Ebene kommen.
Und es gibt auch zuviel Macht! Dann ist alles dem Apostelamt untergeordnet und der Herr Jesus ist der zweite Punkt geworden. Wir brauchen eine Renaissance! Die Kirche sollte mehr eine horizontale Struktur haben.
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„Wir haben Gott instrumentalisiert“
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naktuell.de: In Ihrer Erklärung vom 11.12.2004 zu den Gründen Ihres Rücktritts schreiben Sie unter anderem: „Wir können und dürfen unseren Gott, Jesus Christus und den Heiligen Geist nicht in ihren Möglichkeiten, Raum, Entfaltung usw. einschränken. Das geht weit über unsere menschlichen Gedanken hinaus.“ Außerdem sagen Sie: „Wir dürfen Gott nicht für uns selbst in Anspruch nehmen. Wir haben dazu weder das Recht noch die Möglichkeiten!“ [10] Wie ist das zu verstehen?
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G. Sepers:Wir haben Gott, Jesus Christus und den Heiligen Geist in unserer Kirche instrumentalisiert! Das ist meine Meinung. Wir bestimmen, wie Gott sein muss oder wie er sich verhalten muss. Wir schränken ihn ein in seinen Möglichkeiten und in seinem Raum. Wir haben uns ein Bild von Gott gemacht, das weit entfernt ist von ihm. Wir haben das Bild eines Vaters und denken sehr menschlich. Gott kann man nicht festlegen!
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Das Bild Gottes ist gewachsen aus dem Alten Testament ins Neue Testament. Es ist immer mehr deutlich geworden, wie Gott wirklich ist. Ich denke, dass erst Jesus Christus eigentlich Gott ein Gesicht gegeben hat.
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„Das Gottesbild wurde auf einen Menschen gestellt“
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naktuell.de: Sehen sie die Gefahr, dass unsere Glaubensgeschwister teilweise ein allzu menschliches Gottesbild haben, zu sehr auf Menschen vertrauen, Menschen nachfolgen und deshalb kein wahres Vertrauen in Gott und Jesus Christus haben?
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Abbildung des Stammapostels
Niehaus aus dem Jahr 1908:
„Zum 60. Geburtstage unseres
lieben Stammapostels –
Der Vater als Steuermann.“
G. Sepers:Eigentlich ist das darauf zurückzuführen: Man hat das Gottesbild auf einen Menschen gestellt. Man hat
das Gottesbild auf eine Vater- und Führungsfigur gestellt. Psychologisch gesehen bedeutet das: Als Kind ist mein Vater eine Bildungsfigur, jemand der mich bildet und prägt. Und so ist bei uns der Vorsteher, so ist der Apostel, so ist der Stammapostel. Das ist weit entfernt von einem richtigen Gottesbild.
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Und man hat auch nicht den Mut, eigene Verantwortung zu tragen. Zum Beispiel: Ich habe mich für Gott, Jesus
Christus und den Heiligen Geist entschieden. Dann bedeutet
das auch: Wenn ich eine Entscheidung treffe, dann muss ich das persönlich entscheiden. Ich kann zwar um Rat fragen, aber ich muss selbst wählen. Dann kann
ich nicht sagen: Der Apostel hat das gesagt oder Ich kaufe ein Haus, weil das der Apostel gesagt hat. Es gibt viele Beispiele in der Vergangenheit. Das hat Spaltung in der Seele verursacht, wo Menschen auch nicht selbstständig werden können. Und da kann nie ein richtiger Dialog stattfinden. Viele haben die Verantwortung für ihren Glauben abgegeben und sind unselbstständig geworden. Das hat tiefe psychologische Auswirkungen. Und das ist auch ein Faktor, der Depressionen stimuliert.
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„Der Nationalsozialismus hatte sich hineingeschlichen“
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naktuell.de: Hat die von Ihnen beschriebene Fehlentwicklung mit der Einführung einer Vater- und Führungsfigur, also des Stammapostelamtes, eingesetzt?
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G. Sepers:Ja – ich habe den Mut, das so zu sagen. Wenn man das richtig verstehen will, muss man noch etwas weiter zurückgehen. Die katholisch-apostolische Bewegung hatte ihren Anfang als eine Erneuerungsbewegung, um das Reich Gottes und die Wiederkunft Christi mehr zentral zu stellen im Christentum und das auch zu leben in der allgemeinen Christenheit. Sie hatten bereits einen Primus inter pares [11] unter den Aposteln, nämlich Cardale [12]. Und als dann die Notwendigkeit entstanden ist, eine Kirche zu stiften, hat es so langsam angefangen, dass man sich absonderte und mehr und mehr exklusiv geworden ist. So etwas hat oftmals in der Geschichte stattgefunden, auch zu Beginn des Christentums. 
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Natürlich hat auch die Geschichte Deutschlands ab den 1930er Jahren dazu beigetragen. Die Ideen und das nationalsozialistische Gedankengut vom Neuen Reich, das Ariertum, das Bewusstsein: Wir sind es!, hatte sich auch bei uns hineingeschlichen. Es gab Parallelen zwischen Kirche und Gesellschaft. Nach dem Krieg, als Deutschland sehr tief unten war und die Menschen darunter gelitten haben, ist irgendwo auch ein Traum verloren gegangen. Und dann kann man verstehen, dass vielleicht in einer Kirche der Traum weitergeführt worden ist, durch die Botschaft von Stammapostel Bischoff.
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Stammapostel Bischoff
Ich weiß, das ist gefährlich, was ich sage. Das ist ein großes Tabu. Dafür werde ich sehr böse Briefe bekommen. Aber man kann und muss es so sagen aus psychologischer Sicht. Nach fast siebzig Jahren ist es natürlich leicht, solche Entwicklungen zu verurteilen. Aber das wäre zu einfach. Diese Dinge müssen aufgearbeitet werden!
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Was war die Ursache des Zweiten Weltkrieges? Die Ursache war ein Streit zwischen Individualismus und Kollektivismus
– und der Kollektivismus hat verloren. Das kollektive Gedankengut in Mitteleuropa Anfang des 20. Jahrhunderts war natürlich ganz deutlich zu sehen in einer tragischen Figur, dem Führer. Positive Elemente hat man bei uns übernommen in die Person von Stammapostel Bischoff. Und wenn man doch den Krieg verloren hatte, man hatte nicht die Zukunft verloren. Man sagte: Das Dritte Reich ist nicht gekommen, aber
für uns kommt jetzt unmittelbar das Reich Gottes. Da hat man kollektiv versucht, dieses zusammenzufügen. Das geschah aber zumeist aus unbewussten Motiven.
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„Sie sind Gefangene des Systems geworden“
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naktuell.de: Und als dann das Wort, das dieser „neue Führer“ in der „Botschaft“ gegeben hatte, nicht wahr wurde, kam es zu einem vermehrten Verlust an Gottvertrauen, wie Sie es schon vorlaufend geschildert hatten. Sie sagten auch, dass diese problematische Entwicklung bis heute Folgen hat und immer noch Fragen aufwirft.
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G. Sepers:Weil wir nicht damit umgehen können! Und weil wir ein Teil des Problems sind. Die Brüder in ihrem Amt haben keine Antwort auf diese Frage, weil sie eingekapselt sind. Sie repräsentieren einen Teil des Systems. Sie sehen vielleicht, dass es anders werden muss, aber sie sind Gefangene des Systems geworden. Dieses System erlaubt nichts anderes. Man sagt: Ich bin seit Generationen neuapostolisch!‘ 
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Ich will eine Geschichte aus einem Buch Zwischenrede von Jean-Paul Sartre [13] erwähnen. Da war ein Präsident einer Bananenrepublik in Südamerika. Er war gewählt durch das Volk und jedermann war froh. Zwei Tage nach seinem Antritt kam der Botschafter eines großen westlichen Landes und sagte: Wenn du weitermachst, dann kommen wir mit der Armee, wir kaufen dein Öl nicht mehr und so weiter. Dann wurde er ein Gefangener in seinem eigenen System, in seinem eigenen Land. Und so
ist er auch wieder verschwunden. Das hat Sartre ganz schön erzählt. – Und irgendwie ist es auch bei uns so!
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naktuell.de: Ist dieses Bild auf die unteren Ebenen der Hierarchie anzuwenden?
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G. Sepers:Ja, aber auch auf die Führung. Und deshalb müssen wir uns entscheiden, ob wir eine andere Richtung wählen können.
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naktuell.de: Greift der Herr in diese Entwicklung ein? 
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G. Sepers:Das tut er nicht. Und er kann es auch nicht, weil er uns einen freien
Willen gegeben hat. Gott ist konsequent! Er ist uns nahe, in machtloser Liebe.
Wir haben unsere eigene Verantwortung. Wir müssen wählen und wir müssen den Mut haben, das selbst zu ändern.
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Kaum Perspektive für apostolische Ökumene
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naktuell.de: Sie waren jahrelang für die offiziellen Kontakte der NAK zu den anderen apostolischen Gemeinschaften in den Niederlanden zuständig. Welche Erfahrungen haben
Sie bei den Gesprächen mit Vertretern anderer apostolischer Richtungen gemacht?
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Herbst 2000 in Zürich: Konzil
apostolischer Gemeinschaften
G. Sepers:Sehr gute, sehr freundschaftlich und brüderlich.
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naktuell.de: Wann haben Sie Ihre Bemühungen um Kontakte zu anderen apostolischen Gemeinschaften begonnen?
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G. Sepers:Die Kontakte bestehen schon sehr lange.
Das war mit Beginn der Amtszeit von Stammapostel Fehr. Ich weiß noch genau: Wir haben Anfang der 90er Jahre an einem Wochenende mit ihm darüber geredet, weil wir eine
Einladung bekamen von einer holländischen apostolischen Richtung, der Hersteld Apostolische Zending Kerk‘ (HAZK). [14] Und dann hat er gesagt: Macht das!‘“
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naktuell.de: Es gibt mehrere Gruppen, die die Bezeichnung HAZK tragen.
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G. Sepers:Eine etwas liberale und eine orthodoxe Richtung. Aber eigentlich sind es drei. Der Stamm Juda von Apostel van den Bosch ist liberal eingestellt. Mit dieser Gruppe haben wir geredet und auch mit der Gemeinde Apostolischer Christen.‘“ [15]
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naktuell.de: An welchem Punkt der Entwicklung befindet sich die inner-apostolische Ökumene heute?
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G. Sepers:Es gibt traurigerweise nur wenig Perspektive. Das Prinzip unserer Exklusivität steht im Weg.
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naktuell.de: Was muss passieren, damit wieder Bewegung in die Gespräche zwischen der NAK und anderen apostolischen Gemeinschaften kommt?
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G. Sepers:Exklusivität ändern. Das Amt und das Wirken des Geistes in diesen Kirchen akzeptieren. Und auch öffentlich zugeben, dass wir große Fehler gemacht haben. Das heißt sich versöhnen und damit abschließen. Und die Rausschmisse und Exkommunikationen der Leute müssen rückgängig gemacht werden. Wenn man Rockenfelder sen. [16] beinahe in den Himmel preist oder fast schon selig erklärt,
dann muss man auch darüber nachdenken, dass Peter Kuhlen [17] und andere Leute vielleicht auch so etwas verdienen.
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Katholisch-apostolische Wurzeln
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naktuell.de: Wie denken Sie über das Werk der zwölf englischen Apostel und unsere Mutterkirche, die katholisch-apostolischen Gemeinden (KAG)?
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G. Sepers:Sehr positiv.“ 
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naktuell.de: Damit ist ja auch die Wiedereinführung des Apostelamtes verbunden. Waren die damaligen Ereignisse nach Ihrer Einschätzung zurückzuführen auf ein Eingreifen Gottes (im Sinne einer Wiederaufrichtung des „Werkes Gottes“) oder war es ein Versuch von Menschen, die Ordnungen und Einrichtungen der Urkirche wieder herzustellen?
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G. Sepers:Das war ein Versuch von Menschen um das, was am Anfang der Herr Jesus gesagt hat, zu repräsentieren und in der allgemeinen Christenheit zu verwirklichen. Ich bin überzeugt, dass Gott sich darin geäußert hat! – Sie wollten
keine neue Richtung stiften. Sie waren sehr hochentwickelte Leute. Dasselbe gilt für die Niederlande. Isaac Capadose [18] z.B. war damals ein sehr bekannter Mann in den Niederlanden. Die Katholisch-Apostolischen sind noch immer aktiv. Nur 100 Meter von meiner Arztpraxis entfernt ist eine katholisch-apostolische Gemeinde und jeden Monat haben sie dort noch Gottesdienst.
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„Ich fühle mich dem Judaismus sehr verbunden“
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G. Sepers:Und sie haben auch früher schon deutlich gesagt, und das wissen nicht viele: Wir sollten nicht evangelisieren unter Juden! Wir sollten diese Leute in ihrem Glauben respektieren.
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Bild: Essener Domschatz
Der siebenarmige Leuchter –
Symbol Israels
naktuell.de: Glauben Sie, dass der Herr am Ende das ganze Volk der Juden erlösen wird, so wie es in der Heiligen Schrift geschrieben steht?
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G. Sepers:Ja natürlich. Was Paulus in Römer 11 [Röm. 11] gesagt hat, das bleibt für mich sehr wichtig.
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naktuell.de: Diese Bibelstelle sollte also nicht auf ein „neues Volk Israel“ umgedeutet werden?
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G. Sepers:Paulus hat das für das Volk Israel geschrieben – damals und in Zukunft. Lesen Sie mal bei Pinchas Lapide [19] und David Flüsser (Jesus aus der jüdischen Sicht) und in vielen anderen Büchern, die über Jesus in Verbindung mit dem Judentum geschrieben wurden. Es gibt in Frankreich und in den angelsächsischen Ländern, in Großbritannien und Amerika, ein Jesus-orientiertes Judentum, das messianische Judentum. Ich fühle mich dem Judaismus sehr verbunden.
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„Der Apostel muss mehr Geistlicher sein“
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naktuell.de: Halten Sie die Neuapostolische Kirche für eine Fortsetzung des Werkes der zwölf englischen Apostel oder gab es historische Ereignisse, die diesen Rückschluss nicht zulassen?
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G. Sepers:Irgendwann ist es zu einem größeren Umbruch gekommen, wo dann die Exklusivität mehr und mehr Nachdruck bekommen hat. Das war in der Zeit von Apostel Schwarz [20] noch nicht so. Also ist unsere Kirche keine Fortsetzung im engeren Sinn.
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naktuell.de: Die Idee einer Fortführung des Apostelamtes ist nach ihren Vorstellungen
aber richtig?
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G. Sepers:Ja, das kann sein. Aber nur als Gabe in einer Gemeinde und kein pyramidales System von oben nach unten. Wie schon gesagt, wir brauchen einen mehr horizontalen Aufbau der Kirche. Das Apostelamt sollte mehr ein geistliches Amt sein. Die Leitung der Kirche sollte auf allen Ebenen (Gemeinde, Bezirk und Zentrale) in die Hände von Fachleuten gegeben werden. Die Struktur der Ämter sollte mehr horizontal sein und das Kirchenvolk sollte Anteil haben an der Führung und der Liturgie.
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naktuell.de: Nach katholisch-apostolischer Auffassung sollte die Kirche eigentlich Dienerin sein und der Apostel ein Botschafter seines Herrn Jesus Christus.
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G. Sepers:Und er sollte sich nicht mit der Entscheidung um die Toilettenrollen in den Kirchen bemühen. Der Apostel muss mehr Geistlicher sein!
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naktuell.de: Apostel Kainz sagte im Oktober 2003 (in einem Interview mit naktuell.de) über die Stellung der Apostel: „Jesus hat gesagt: ‚Ohne MICH könnt ihr nichts tun!‘ Aber
er hat nicht gesagt: Ohne EUCH kann ich nichts tun.“ – Hat sich dieses ursprüngliche Bild
durch die tatsächliche Stellung des Apostelamtes in unserer Kirche und im Bewusstsein der Gläubigen ins Gegenteil verkehrt?
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G. Sepers: Aber ich meine wohl, dass Stammapostel Fehr doch Mühe getan hat, das zu ändern – und Stammapostel Urwyler [21] noch mehr.
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naktuell.de: Was hindert die Führung unserer Kirche, diese Erkenntnis eindeutig und ohne Einschränkungen umzusetzen?
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G. Sepers:Es gibt andere Kräfte in der Kirchenleitung. Es ist kompliziert. Es gibt Angst, Mitglieder zu verlieren, und das hätte dann vielleicht auch finanzielle Konsequenzen. Es ist auch so, dass sie gefangen sind in ihrem eigenen System. Es ist nicht so einfach, sich von diesem Denken zu lösen.“ 
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Rückzug zu ernsthaften Beratungen
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naktuell.de: Was können wir angesichts der von Ihnen beschriebenen gegenwärtigen Situation von unseren Wurzeln, der katholisch-apostolischen Bewegung, lernen?
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apostolic.de
Die 12 katholisch-apostolischen
Apostel  (Bild: apostolic.de)
G. Sepers:Dass wir wieder 1 Jahr in Konklave gehen,
wie die ersten katholisch-apostolischen Apostel das gemacht haben. Dass die Führung sich ernsthaft bemüht und darüber nachdenkt: Was steht bei uns in Zukunft an? Was müssen wir tun, damit die Leute wieder begeistert werden! Was müssen wir ändern, damit das Machtdenken aufhört und die Basis wieder mit der Leitung verknüpft wird!
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Die Basis sollte wieder mehr Gehör finden und auch mitentscheiden können. Das war teilweise in den katholisch-
apostolischen Gemeinden umgesetzt. Wenn jemand für ein Amt berufen wurde, dann wurde mit ihm gesprochen. Er konnte ja oder nein sagen. Aber die anderen konnten auch ja oder nein sagen. Es gab eine Prüfungszeit und dann mussten die Leute versprechen, dass sie einen Kurs machen, um sich zu vertiefen in spirituelle und theologische Sachen. Die haben das auch einstudiert und geübt. Und das muss unbedingt wieder stattfinden! Und auch der Dialog, der in der katholisch-
apostolischen Bewegung anfangs da war, muss dringend wieder her.
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Entstehung einer Basisgemeinde
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naktuell.de: Nach Ihren Worten sollte sich die Leitung der NAK nach dem Vorbild der KAG-Apostel ein Jahr lang zu ernsten Beratungen zurückziehen. Das würde bedeuten, dass aus Ihrer Sicht ein echter Schnitt notwendig wäre und man nicht sagen kann, dass die angestrebte Weiterentwicklung langsam und allmählich vonstatten geht. Muss dieser Schnitt für alle Mitglieder der Kirche bewusst spürbar werden?
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G. Sepers:Exakt. Und auch unter Einbeziehung von Frauen im Amt. Ich habe das
so formuliert: Zentral steht für mich immer der Mensch als Schöpfung Gottes und nicht die Höhe des Amtes. Auch steht die Gemeinde zentral, wo in der Gemeinschaft dieses erlebt werden kann. Persönlich habe ich große Glaubenserfahrungen erlebt in der Begegnung mit Geschwistern und unseren Mitmenschen. Ich habe die Nähe Gottes erfahren am Krankenbett, am Todesbett, in der Mission und bei vielen anderen Gelegenheiten. Und immer getrieben von dem Suchen nach dem höchsten Gut innerhalb Glaube und Christentum und die dazugehörende Symbolik und Kernwerte. Darin ist eine Friktion entstanden zwischen dem, was ich glaube und dem, was innerhalb der NAK als Gedankengut verkündigt werden muss. Und weil ich immer versuche, in Übereinstimmung mit meinem Gewissen zu leben, das bedeutet glaubwürdig und zuverlässig zu sein und zu bleiben, hat es sich gezeigt, dass solches Gedankengut nicht vereinbar ist mit diesem Amt in dieser Kirche. Ich durfte deshalb nur eine rein exklusive Vision repräsentieren und nicht eine pluralistische.
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Wir müssen uns darum bemühen, dass eine Basisgemeinde entsteht und anwesend ist, in der nicht die Höhe des Amtes im Mittelpunkt steht, sondern das Wirken des Geistes in jedem Einzelnen. Dass man mit Respekt und auf dem Grund einer Dialogbereitschaft miteinander reden und tiefe spirituelle Gefühle erfahren kann. Wir respektieren die Ämter als Gaben Gottes. Aber wir können sie nur respektieren, wenn sie sich auch so verhalten und nicht im Machtdenken offenbar werden.
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Diskurs über problematische Predigten
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G. Sepers:Ich war im Sommer in einem Gottesdienst irgendwo in Europa, nicht in Holland. Das war am 18. Juli 2004, ich werde das nie vergessen. Und da kam das Wort vom Altar und da sagte der Priester (ein sehr lieber Mann): Wer das edle Schiff verlässt, der ertrinkt! Ich dachte mir: Wie kann ein Priester nur so etwas sagen?!
Und ich habe umher geschaut und keiner der Geschwister gab eine Reaktion. Dann habe ich gedacht, ich muss das nachlesen in den Leitgedanken. Und das stand tatsächlich dort, buchstäblich! So etwas geht doch nicht! 
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„Leitgedanken zum
Gottesdienst“ – Monatsschrift
für die Amtsträger in der
Neuapostolischen Kirche
Ich zitiere (Leitgedanken zum Gottesdienst, Vorgabe für die Predigt am Sonntag, dem 18. Juli 2004, aus einem Gottesdient des Stammapostels): Was für einen Sinn hat es, jetzt das Schiff zu verlassen? Wer das Schiff verlässt, ertrinkt! Wer an Bord bleibt, kommt in den Hafen des ewigen Vaterlandes. Das edle Schiff, die Kirche von Jesus Christus, wird sein Ziel erreichen, denn Gott sorgt dafür. – Dieser Satz ist erschreckend!
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Und in einer richtigen Basisgemeinde muss man doch
sagen: Lieber Priester, wir müssen darüber reden. Ich kann
das nicht nachvollziehen, ich glaube das nicht und ich habe Schwierigkeiten mit deiner Predigt! – Genau das geht aber nicht! Es ist fast unmöglich bei uns, dass man sich so unterhält. Die Amtsträger können keine Antwort geben, weil sie dann ihre Loyalität aufgeben würden. Manche Amtsträger stehen auch gar nicht hinter solchen Aussagen und haben ein Problem mit ihrem Gewissen. Das hat psychische Folgen. Und das bedeutet dann auch, dass die Kirchenleitung dafür verantwortlich ist!
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„Die Konservativen sind immer stärker gewesen“
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naktuell.de: Wie schätzen Sie die Stimmung in den neuapostolischen Gemeinden in den Niederlanden und die Lage der NAK in Mitteleuropa ein?
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G. Sepers:Apathie! Kein Steuer, keine Vision. Es gibt keine Begeisterung mehr.
Es gibt die Frage: Ja, was sind wir noch?‘“
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naktuell.de: In den 90er Jahren wurde in unserer Kirche ein spürbarer Öffnungsprozess begonnen. Diese Entwicklung wurde auch von vielen Mitgliedern bewusst wahrgenommen, z.B. mit der Einführung der Eigenverantwortung, Gründung von thematischen Arbeitsgruppen usw. Seit etwa 3 oder 4 Jahren scheint dieser Prozess aber zu stagnieren. Woran liegt das?
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G. Sepers:Es gibt ein Stagnieren. Man spürt das auch in den Leitgedanken. Ich denke, dass das auch auf eine globale Änderung in der Gesellschaft zurückzuführen ist. Auch im Islam findet eine stärkere Entwicklung zum Fundamentalismus statt, auch in den protestantischen Richtungen in den Vereinigten Staaten. Die Evangelikalen dort sind sehr stark. – Und auch bei uns ist das so eine Wellenbewegung. Man zieht sich auf den eigenen Fundamentalismus zurück.
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Die Konservativen brauchen sich nie zu rechtfertigen! Die Progressiven dagegen müssen sich immer wieder verteidigen. Aus Angst vor Änderungen und aus Angst davor, den Griff zu verlieren, werden diese Dinge immer stärker. Das ist immer eine Wellenbewegung gewesen in der Weltgeschichte. Die Progressiven denken, sie gewinnen immer mehr Land oder Terrain. Aber das ist nicht so. Die Konservativen sind immer stärker gewesen. Dann und wann gibt es irgendwo eine Geiselnahme oder eine Explosion und innerhalb von zehn Jahren verschwindet das wieder.
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„Ich habe das als kosmetische Änderungen erfahren“
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naktuell.de: Gibt es heute in der Kirchenleitung Raum für unterschiedliche Denkrichtungen? Gibt es konservative und progressive Strömungen im Apostelkollegium?
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G. Sepers:Sehr wahrscheinlich schon. Das ist aber kaum sichtbar. Das gibt es nicht offen, sondern nur versteckt.
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Verwaltungsgebäude der
NAK International in Zürich,
Sitz des Stammapostels
naktuell.de: Sah das vor einigen Jahren noch anders aus?
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G. Sepers:Ja – es gab mehr Dialog. Die Richtung war
mehr offen.
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naktuell.de: Ist diese rückwärts gerichtete Entwicklung einer der Gründe für Ihren persönlichen Rückzug aus der Kirchenleitung?
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G. Sepers:Das hat auch mitgewirkt bei der Entscheidung. Weil ich das erfahren habe als kosmetische Änderungen,
in Richtung Ökumene und auch das, was mit Dienen und Führen [22] zu tun hat.
Das war nur für das große Publikum, aber dahinter steckt immer das konservative Denken. So kann ich mich nicht entfalten.
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Wenn ich Probleme gehabt hätte mit einem Menschen, einem Bruder oder einem Segensträger, deshalb hätte ich niemals mein Amt zurückgegeben. Dann muss ich dafür kämpfen, dass wir irgendwie eine Zusammenarbeit weiterführen können.
Aber wenn es auf ideologische Punkte abgehoben wird und diese Dinge so wichtig sind, dann denke ich, dass ich dieses Amt nicht mehr tragen kann. Das will ich dann auch nicht mehr.
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Umkehr des Öffnungsprozesses
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naktuell.de: Lässt sich der Öffnungsprozess in unserer Kirche, der ja doch als solcher wahrgenommen wurde, wieder umkehren? Muss man befürchten, dass einige dieser Schritte wieder rückgängig gemacht werden?
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G. Sepers:Theoretisch ja, aber praktisch ist das nicht möglich. Das würde eine Revolution auslösen. Etliche Geschwister an der Basis haben diese Schritte verstanden. Das kann man nicht mehr zurücknehmen. Das ist ja das Problem.
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naktuell.de: Gibt es Tendenzen oder Einflüsse in der Kirchenleitung, die diesem langsamen und zögerlichen Öffnungsprozess der NAK massiv entgegenstehen?
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G. Sepers:Ja.
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naktuell.de: Woher kommen diese Einflüsse? In manchen Einschätzungen gelten insbesondere die nordamerikanischen Gebietskirchen als Gegner dieser Entwicklung.
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G. Sepers:Das kann man nicht so genau an einem Punkt festmachen. Auch im
Alten Europa gibt es diese negativen Einflüsse, auch an der Basis. Die Botschaft von Stammapostel Bischoff ist ja auch nicht nur von oben gekommen, sondern wurde auch unten angenommen und verstärkt.
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„Stammapostel Fehr kann sich nicht durchsetzen“
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naktuell.de: Stammapostel Fehr wurde eine Zeit lang als Symbol für eine Öffnung der Kirche wahrgenommen. Man hat die neuen Entwicklungen auch mit seiner Person in Verbindung gebracht. In den Jahren 1999 und 2000 brachte er beispielsweise das Thema „NAK und Ökumene“ selbst ins Rollen. Seit einigen Jahren hat jedoch wieder ein Rückzug auf alte Positionen eingesetzt. Wie steht Stammapostel Fehr heute zur Ökumene?
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Stammapostel Fehr
G. Sepers:Nicht dass er das nicht will! Aber in der großen Welt hat man es mit mehreren Kräften zu tun.
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naktuell.de: Sie sagen, dass Stammapostel Fehr von seinem früheren Anliegen einer ökumenischen Öffnung der Kirche bis heute nicht abgerückt sei. Wie beurteilen Sie die innere Ambivalenz der Position von Richard Fehr – der zum einen eine Öffnung der Kirche befürwortet, zum anderen aber auch als Verteidiger einer konservativen Linie auftritt?
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G. Sepers:Wenn in unserer Kirche oder Organisation sich etwas ändern muss,
dann hat nicht nur einer das Sagen, sondern ein Gremium von Bezirksaposteln und Stammapostel zusammen. Und wenn es nicht genügend Mehrheit gibt, dann ist es für einen Stammapostel auch sehr schwierig, das durchzuführen was er sich vorstellt,
weil er die Aufgabe der Einheit befürchtet.
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naktuell.de: Das bedeutet, dass der Stammapostel entgegen seinen eigenen Vorstellungen jene Linie nach außen hin vertritt, die in der Bezirksapostelkonferenz beschlossen wurde?
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G. Sepers:Er vertritt ja eigentlich, dass er mehr Offenheit will. Aber er kann das nicht durchsetzen. Die Unterstützung fehlt. Es gibt dafür im Moment keine Mehrheit
in der Bezirksapostelversammlung.
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naktuell.de: Ist Richard Fehr mit seinen Bemühungen, dass Jesus im Bewusstsein der Geschwister und in der Lehre der Kirche mehr in den Mittelpunkt gestellt wird, gescheitert?
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G. Sepers:Er empfindet das wohl, aber er denkt auch, wir brauchen noch viel mehr Geduld. Das ist natürlich ein sehr langsamer Wachstumsprozess. Er wollte das weiterverfolgen, aber seine Zeit ist natürlich begrenzt, weil er an Pfingsten 2005 in
den Ruhestand treten wird. Er denkt, es wird nicht unterstützt durch die Gemeinden, durch die Basis oder die Ebene dazwischen, durch den Amtskörper. Es fehlt an einem richtigen Dialog mit diesen Gruppen.
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„Die Reflektion der Kirchenleitung hat zu wenig Mut“
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naktuell.de: In unserer Kirche haben sich global gesehen in den letzten Jahren in verschiedenen Regionen unterschiedliche Entwicklungen und Ausformungen herausgebildet, beispielsweise in der Haltung zur Ökumene oder in der Ausformung der äußeren Würdigung des Apostelamtes. Angesichts dieser wachsenden Herausforderung müsste es vorstellbar sein, dass die Kirchenleitung verschiedene Gegebenheiten berücksichtigt, individuelle Entscheidungen trifft und in Detailfragen regional voneinander abweichende Entwicklungen innerhalb der weltweiten Kirche zulässt. 
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G. Sepers:Pluralismus in der Kirche – wie in der römisch-katholischen – das wäre nicht schlecht. Aber wir sind natürlich nur eine ganz kleine Kirche. 
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Man kann nicht sagen, dass es darüber keine Reflektion in der Kirchenleitung gibt. Aber diese Reflektion hat zu wenig Mut. Durch verschiedene Verhältnisse hat sich das so entwickelt. Da spielt Macht eine große Rolle. Da spielt auch Geld eine große Rolle.
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Eine positive Entwicklung ist doch, dass man mit mir so freundlich umgegangen ist und dass ich mit Dank verabschiedet wurde. Ich hoffe, dass das nicht nur wegen den freundschaftlichen Beziehungen von Bezirksapostel Armin Studer und mir so gewesen ist. Ich hoffe, dass das eine neue Linie wird. Dann hätte es doch irgendwo eine spürbare Reflektion gegeben.
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naktuell.de: Können wesentliche Impulse für Veränderungen und eine Weiterentwicklung der Kirche überhaupt von oben, also von der Kirchenleitung, kommen? 
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G. Sepers:Man kann vielleicht ein wenig hoffen. Aber ich erwarte das nicht innerhalb von 20 Jahren.
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„Wir brauchen eine tiefgründige theologische Basis“
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naktuell.de: Bei vielen Geschwistern an der Basis besteht eine große Unsicherheit über Sinn, Zweck und Richtung des Öffnungsprozesses. Man zweifelt, ob wirklich Bewegung in konkrete Fragen gekommen ist und ob weitere Veränderungen überhaupt noch zu erwarten sind. Es entsteht zunehmend der Eindruck, dass die begonnene Öffnung der Kirche nur als eine Reaktion auf äußeren Druck zu sehen ist, als ein Zeichen nach außen. 
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G. Sepers:Das ist ganz bestimmt so. Es gibt eine sehr große Unsicherheit. Es kommen keine klaren und eindeutigen Antworten. Die Stellungnahmen der Kirche können in viele Richtungen gedeutet werden.
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Es muss eine tiefgründige theologische Basis geben und nicht nur sehr dünn von 20 Seiten. Wir brauchen so etwas wie einen Katechismus, wie in der evangelischen und römisch-katholischen Kirche. Diese Tiefgründigkeit brauchen wir in unserer Kirche. Dann kann man sich danach richten und ja oder nein sagen. Ich möchte nicht durch eine Hölle von vielen Meinungen (in Statements) immer wieder verunsichert werden, ist dieses nun die Wahrheit oder ist jenes die Wahrheit der Kirche.
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Stammapostel Urwyler
Stammapostel Urwyler sagte: Zur Ehre der Bibelübersetzer und der Missionare können wir sagen, dass es uns Neuapostolische gibt. Das predigte er. Und das bedeutet: Dank an andere Kirchen, dass sie die Bibel übersetzt haben, auch unter Mitwirkung des Heiligen Geistes, Ehre den Wegbereitern und Missionaren. Das ist sehr wichtig und diese Tiefgründigkeit brauchen wir in unserer Kirche.
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„Ich glaube nicht an eine innere Revolution“
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naktuell.de: Die NAK befindet sich bereits seit Jahren in einem Prozess der inneren Herausbildung von zwei sich gegenüberstehenden Lagern: einer stark konservativen Richtung und einer eher progressiven Strömung. Steht die Kirche vor einer inneren Zerreißprobe?
Wie lautet Ihre Prognose?
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G. Sepers:Ich denke, dass die Konservativen doch immer gewinnen. Die Progressiven (die fühlen und sehen und glauben: Wir sehen keine Chance mehr, dass sich etwas ändert) werden sich anders orientieren. Ich glaube nicht an eine innere Revolution in der Kirche. Ich glaube, dass die Progressiven so ganz langsam, still und leise durch die Hintertür verschwinden. Tragisch, aber wahr. Entschuldigen Sie, dass ich das so sage: Und die Besten gehen dann.
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Andererseits muss man auch sagen, dass in unserer ziemlich hierarchisch strukturierten Organisation – und das hat mit jeder Kirche, die derartig strukturiert ist, zu tun –, dass die Scheidung schon am Anfang der Existenz mit einbezogen ist. Wenn eine solche Bewegung entsteht – so wie wir entstanden sind –, dann ist bereits abzusehen, dass wieder neue Zellen und Prozesse in Gang gesetzt werden für eine Spaltung. Das gehört zu der Psychologie dieses Systems.“ 
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„Wie kleine Jungen oder kindliche Menschen“
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naktuell.de: Denken Sie, dass die sich wandelnden gesellschaftlichen Prozesse und Einflüsse in der heutigen Zeit nicht doch einen starken Einfluss haben und zwangsläufig Änderungen am System bewirken? 
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G. Sepers:Unsere Kirche ist wie eine letzte Insel, auf der das hierarchische System konserviert wird. Weil wir so stramm organisiert sind, würde jede Änderung zu einem großen Abfall führen. Die Geschwister haben überhaupt nicht gelernt, zu diskutieren oder mit Dialog umzugehen. In ihrer gesellschaftlichen Entwicklung haben sie das wohl gelernt, aber in der Kirche überhaupt nicht. Das betrifft gebildete Leute genauso wie kindlich gläubige Leute. Es ist erstaunlich, dass große Männer in unserer Gesellschaft – ich habe das öfter erlebt – Professoren, Direktoren, Präsidenten von großen Unternehmen usw., innerhalb unserer Kirche sich wie kleine Jungen oder kindliche Menschen verhalten. Das ist sehr erstaunlich!
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Auf der anderen Seite: In den jüdischen Verhältnissen vor 2000 oder 3000 Jahren war es ganz normal, dass diskutiert wurde, auch in der Zeit von Jesus. Das war ganz normal.“ 
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naktuell.de: In unserer Kirche besteht weitgehend eine Kultur des „Nicht-Fragen-Dürfens“, weil sofort das Gefühl entsteht, dass man in eine Ecke oder Schublade gesteckt wird, einen Stempel aufgedrückt bekommt und nur noch als ein „Zweifler, der nichts empfängt“ gilt.
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G. Sepers:… und dann bekommt man religiöse Schuldgefühle!
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Rückkehr zur allgemeinen Christenheit
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naktuell.de: Wenn Sie damit rechnen, dass die Progressiven nach und nach von Deck gehen, dann bedeutet das auch, dass diese Gläubigen eine neue geistige Heimat brauchen. Denken Sie, dass es in den nächsten Jahrzehnten deshalb zu Neugründungen kommen wird? 
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G. Sepers:Ich hoffe nicht! Ich hoffe, dass nicht wieder eine neue Kirche entsteht. Geschwister, die die Kirche verlassen, sollten zurückgehen zur allgemeinen Christenheit, sich einer bestehenden Gemeinde anschließen, damit sie den apostolischen Glauben dort leben und ein Beispiel sind und bleiben. Das ist meine Meinung und die werde ich auch vertreten. Ich bin selbst auf der Suche.
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„Ich bleibe vorläufig Mitglied der NAK“
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naktuell.de: Werden Sie nach Ihrem Rücktritt und den damit verbundenen Erfahrungen weiterhin Gottesdienste in der Neuapostolischen Kirche besuchen?
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G. Sepers:Ich denke nicht.“ 
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naktuell.de: Ist das eine feste Entscheidung?
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G. Sepers:Ja. Wegen der Exklusivität. Ich setze mich dem nicht mehr aus. Ich will
in einem Gottesdienst auch etwas empfangen. Wenn die Kirche sich erkennbar ändert, will ich mich neu orientieren.
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naktuell.de: In Ihrem Wohnort gibt es auch eine Gemeinde der HAZK. Können Sie sich vorstellen, dort oder in anderen apostolischen Gemeinden an Gottesdiensten teilzunehmen oder sich möglicherweise einer dieser Gemeinschaften anzuschließen?
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G. Sepers:Vielleicht mache ich einen Besuch, aber ich denke nicht, dass ich mich anschließe. Ich bleibe vorläufig Mitglied der NAK.
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naktuell.de: Wie nahe stehen Sie den anderen apostolischen Gemeinschaften? Liegen Ihnen die Glaubensüberzeugungen dieser Richtungen persönlich näher?
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G. Sepers:Ja, das auch. Nicht die Apostolische Genossenschaft‘ [23], die überhaupt nicht. Aber die katholisch-apostolische Kirche, die HAZK und die Gemeinde Apostolischer Christen.
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naktuell.de: Sie sagten, dass Sie Gottesdienste in anderen Kirchen besuchen möchten.
Hat diese Überlegung auch etwas mit dem Wunsch zu tun, Heiliges Abendmahl zu feiern?
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Volle Kirche: Amsterdamer
Dominicusgemeinde
G. Sepers:Ganz bestimmt. Wir haben kürzlich eine
Kirche im Zentrum von Amsterdam besucht. Die können Sie finden auf der Internetseite dominicusgemeente.nl. Das ist eine unabhängige Basisbewegung in Holland. Es gibt drei Pfarrer und dort ist jedermann, aus protestantischen und katholischen Richtungen, herzlich willkommen. Das Motto ist: Nur ein Dach, oben einige Häupter.In diesem Gottesdienst waren 1.000 Menschen anwesend. Es war sagenhaft! Dort haben die Ämter nicht an erster Stelle
Abendmahl empfangen, sondern sie waren nach der Gemeinde die letzten gewesen.
Die Kinder haben das Brot und die Kelche gehalten. Man konnte das Brot selbst in einen Weinkelch tauchen. Ich muss sagen, das hat mich tief beeindruckt.
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„Mut zum Bekenntnis der apostolischen Botschaft“
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naktuell.de: Welche persönlichen Wünsche haben Sie für das (zum Zeitpunkt der Gesprächsführung) bevorstehende Weihnachtsfest? 
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G. Sepers:Für das Weihnachtsfest denke ich: Wir sollten nachdenken über den Sinn von Weihnachten und die Geburt Jesu, damit das Leben unseres Herrn Jesus von uns Christen repräsentiert wird. Wenn wir die ganzen Zustände in unserer Welt sehen, sollten wir uns als Christen, als Islamiten und Juden zusammenfinden, um eine Basis
zu suchen, damit wir friedlich zusammenleben und nicht einander ermorden. Und wir sollten uns Gedanken darüber machen, dass die großen Unterschiede in der Welt – arm und reich – doch gelöst werden können. Ich weiß, dass das weit entfernt ist von der Realität. Wir sollten uns aber doch in Nächstenliebe darum bemühen. 
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Zum Weihnachtsfest wünsche ich mir persönlich, dass ich in einer Kirche wirklich etwas schönes erleben darf. Wir sind noch auf der Suche.“ 
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naktuell.de: Und was wünschen Sie sich in Bezug auf die weitere Entwicklung der NAK? 
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G. Sepers:Ich fühle mich dieser Kirche verbunden, das ist doch ganz klar. Für die Zukunft der NAK hoffe ich, dass sie den Mut hat, sich zu der apostolischen Botschaft der katholisch-apostolischen Bewegung zu bekennen, danach zu streben und sich zu fragen: Was müssen wir tun, damit wir wieder zurückfinden zur Basis.“ 
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Selbstvertrauen und Gottvertrauen
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naktuell.de: Möchten Sie unseren Glaubensgeschwistern in Deutschland, Österreich, der Schweiz und den Niederlanden eine Botschaft mit auf den Weg geben?
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G. Sepers:Wir müssen unserem eigenen Gewissen folgen und viel mehr auf das hören, was tief in unserem Herzen vor sich geht. Dann bekommt man das Gefühl, 
dass man sich selbst sehr nahe ist und nicht nur abhängig ist von anderen. Wir müssen den Mut haben, uns selbst zu bejahen und nicht nur ja zu sagen gegenüber anderen. Wir brauchen Vertrauen in unsere eigene Entwicklung. Es ist wichtig, dass die Verbundenheit mit Gott und Jesus Christus zentral ist und bleibt. Das muss man selber suchen. Und man muss auch die Konsequenzen daraus ziehen.
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Am Tag des Herrn zählt nur, was man nicht nur sich innerlich wünscht oder was vielleicht wünschenswert wäre, sondern was man im Leben tatsächlich getan hat.
Es zählt, wem oder was man ungeteilt nachgefolgt ist. Ich denke, dass man in seinem Gewissen der eigenen Überzeugung nachfolgen muss, im festen Glauben an Gott
und Jesus Christus. Das ist zentral. Wir brauchen Selbstvertrauen und Gottvertrauen.
Nur wenn man lernt, sich selbst zu vertrauen, kann man auch Nächstenliebe üben.
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naktuell.de: Vielen Dank für das Gespräch! 
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Telefonisches Interview am 10. und 17.12.2004, redigiert am 29.12.2004, veröffentlicht am 04.01.2005.
Gesprächsführung: Christian Puffe, Mitarbeit: Jens Joachim.
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Artikel im Forum kommentieren
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[01] – Stammapostel Fehr am 30.11.2004: „In meinem Auftrag haben in den letzten Jahren die Bezirksapostel
          Studer und Wend (…) einige Gespräche mit dem Bezirksapostel, Apostel Sepers und den Bischöfen geführt.“Zurück
[02] – Schreiben des Stammapostels „an die Brüder und Geschwister im Bezirksapostelbereich de Bruijn“,
          Zürich, 30. November 2004. Niederländisch: nak-nl.org, Deutsch: nak.org (PDF-Datei)Zurück
[03] – Interview mit Apostel Gerrit Sepers in „Het Jeugdmagazine“, Ausgabe 9, Dezember 1997. Eine Übersetzung
          ist z. Zt. unter folgenden Adressen abrufbar: Rainbogen bzw. Wächterstimme aus Zion.Zurück
[04] – Gijsbert Pos, bis 1998 Bezirksapostel der NiederlandeZurück
[05] – Informationen zu den Schriftfunden und der Bibliothek von Nag Hammadi: nag-hammadi.comZurück
[06] – „Das Zeugnis der Apostel – Testimonium an die geistlichen und weltlichen Oberhäupter der Christenheit“,
          aufgestellt im Jahr 1836. Download: apostolic.de/…Zurück
[07] – Kommentar von Folkmar Schiek, veröffentlicht am 08.12.2004 bei glaubenskultur.deZurück
[08] – Johann Gottfried Bischoff, Stammapostel von 1930 bis 1960, verkündete 1951 eine außerbiblische „Botschaft“,
          die in den Jahren 1956 bis 1960 zum glaubensnotwendigen Dogma in der Neuapostolischen Kirche erhoben
          wurde. Eine Aufstellung mit Zitaten zur Entwicklung der „Botschaft“ ist unter adfontes.apostolic.de abrufbar.Zurück
[09] – Fritz Krebs, erster Stammapostel der Neuapostolischen Gemeinden von 1895 bis 1905Zurück
[10] – Erklärung von Gerrit Sepers: „Der Grund meiner Rückgabe des Apostelamtes“, Amersfoort, 11. Dezember 2004,
          zuerst veröffentlicht am 11.12.2004 bei naktuell.de.Zurück
[11] – „Primus inter pares“ (lat.): Erster unter GleichenZurück
[12] – John B. Cardale, 1832 erstberufener Apostel der katholisch-apostolischen GemeindenZurück
[13] – Jean-Paul Sartre (*1905, †1980), französischer Schriftsteller und PhilosophZurück
[14] – Hersteld Apostolische Zending Kerk (HAZK), Stamm Juda, hazk.nlZurück
[15] – Gemeente van Apostolische Christenen Nederland (GvAC), members.home.nl/gvacZurück
[16] – Gottfried Rockenfelder, von 1952 bis 1984 Bezirksapostel im Apostelbezirk WiesbadenZurück
[17] – Peter Kuhlen, bis 1954 Bezirksapostel des Rheinlandes, Stammapostelhelfer von 1948 bis 1951. Biografie:
          „100 Jahre Peter Kuhlen“, Artikel aus dem Materialdienst der EZW, Nr. 10/1999, Download: apostolisch.deZurück
[18] – Isaac Capadose, von 1875 bis 1920 Koadjutor (Gehilfe des Apostels) der katholisch-apostolischen Gemeinden
          in den Niederlanden und weiteren Ländern. Hintergrund: apostolic.de/…Zurück
[19] – Pinchas E. Lapide (*1922, †1997), jüdischer Theologe und ReligionswissenschaftlerZurück
[20] – Friedrich Wilhelm Schwarz, 1863 bis 1895 Apostel der neuapostolischen Bewegung in den NiederlandenZurück
[21] – Hans Urwyler, Stammapostel von 1978 bis 1988Zurück
[22] – Leitbild „Dienen und Führen in der Neuapostolischen Kirche“, Stand: Juli 2001, Download: nak.org/le/…Zurück
[23] – Het Apostolisch Genootschap, Selbstbezeichnung: „religiös-humanistische Gesellschaft“, apgen.nlZurück
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